Schweizerische Geldpolitik: Aktuelle Herausforderungen und Zukunftsaussichten

21. Mai 2003
4th Annual Swiss Equities Conference, Bürgenstock

Zusammenfassung

Aus wirtschaftlicher Sicht waren die letzten beiden Jahre sehr enttäuschend. Voraussagen für das weltweite Wirtschaftswachstum mussten wiederholt nach unten korrigiert werden. Auch die Schweizer Wirtschaft hat sich sehr dürftig entwickelt. Die Gründe für diese kraftlose Darbietung sind zahlreich. Die Wirtschaft der USA hat sich sehr zögerlich entwickelt, Europa - und vor allem Deutschland - hat unter einem anämischen Wirtschaftswachstum gelitten; der weltweite Kapitalüberhang hat die Investitionen und Exporte gebremst; und das Vertrauen ist von geopolitischen Entwicklungen, Rechnungslegungsskandalen und dem Einbruch der Aktienmärkte untergraben worden. Heute sind die meisten Prognostiker vorsichtig optimistisch und erwarten eine schrittweise Erholung des Wirtschaftswachstums in der zweiten Hälfte des Jahres 2003.

Die Verantwortlichen stehen jedoch vor vielen Herausforderungen. Die Risiken und Ungewissheiten sind gross, und sie zeigen meist nach unten. Auf der positiven Seite kann man vermerken, dass es der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gelungen ist, die Kaufkraft des Schweizer Frankens während des fünften Jahres in Folge zu erhalten. Gleichzeitig bleibt die schweizerische Geldpolitik klar expansiv. Während der letzten zweieinhalb Jahre hat die SNB die Zinsen aggressiv gesenkt, und die Schweizer Wirtschaft ist gut darauf vorbereitet, von einer weltweiten Erholung zu profitieren, sobald diese einsetzt. Freilich sind die Möglichkeiten der Geldpolitik beschränkt. Insbesondere hat sie keinen dauerhaften Einfluss auf reale Grössen. Obwohl das reale BIP das tatsächliche Wirtschaftswachstum in der Schweiz wahrscheinlich unterschätzt, war dieses in den letzten beiden Jahrzehnten zweifellos ungenügend. Die Gründe für diese unzureichende Leistung sind mehrheitlich realwirtschaftlicher Art. Deshalb muss mehr unternommen werden, um die Arbeitsanreize zu erhöhen, die Produktivität zu steigern und den Schweizer Binnenmarkt wettbewerbsfähiger zu machen.

Es macht auch wenig Sinn, mittels der Geldpolitik zu versuchen, die Preise von Aktiven zu kontrollieren, und die Deflation stellt zur Zeit keine ernsthafte Bedrohung für die Schweiz dar. An der Wechselkursfront ist die SNB am besten damit beraten, eine unabhängige, für die Schweiz massgeschneiderte Geldpolitik zu verfolgen. Insbesondere eine Bindung des Frankens an den Euro würde nur wenige Probleme lösen, dafür aber eine ganze Reihe neue schaffen. So würde sie höchstwahrscheinlich zu einem Anstieg der Inflation und des Zinsniveaus wie auch zu einem starken Fall der Aktivenpreise führen, und sie würde Investitionen und Wirtschaftstätigkeit ernsthaft untergraben.

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Beteiligte Personen

  • Ulrich Kohli
    Direktor der Schweizerischen Nationalbank

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