Geldpolitik im Jahr 2015 - eine erste Einschätzung
Zusammenfassung
Seit der Aufhebung des Mindestkurses am 15. Januar 2015 stützt sich die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf zwei Säulen, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken: den Negativzins und die Bereitschaft der SNB, am Devisenmarkt zu intervenieren. Der Negativzins, der auf den Sichtguthaben der Banken und anderer Finanzmarktteilnehmer bei der SNB erhoben wird, zählt nicht zu den gewöhnlichen geldpolitischen Instrumenten. Er ist eine Folge des fragilen internationalen Umfelds mit Zinssätzen, die ausserordentlich tief sind. Mit dieser Massnahme hat die SNB die traditionelle Zinsdifferenz zum Ausland wieder hergestellt. Die Bereitschaft, am Devisenmarkt zu intervenieren, kommt dann zum Tragen, wenn die Risikoaversion der in- und ausländischen Investoren wegen grosser Unsicherheiten und volatiler Märkte abrupt steigt und deshalb die Nachfrage nach Franken zunimmt. Das war beispielsweise in diesem Sommer im Zusammenhang mit den Ereignissen in Griechenland der Fall. Diese Bereitschaft sowie der Negativzins tragen dazu bei, den Aufwertungsdruck auf den Franken zu dämpfen. Er ist auch auf dem jetzigen Niveau nach wie vor deutlich überbewertet.
Im Hinblick auf die Geld- und Kapitalmärkte zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass der Negativzins als Massnahme bemerkenswert gut funktioniert. Während der Negativzins zu einer Senkung der Zinsen an diesen Märkten geführt hat, gingen die Zinssätze für Hypotheken nicht im gleichen Ausmass zurück. Für Hypotheken mit langen Laufzeiten sind die Zinsen im Vergleich zu Anfang Jahr sogar leicht gestiegen. Dies bedeutet, dass sich die Befürchtungen, wonach der Negativzins die Ungleichgewichte auf dem Hypothekarmarkt verschärfen könnte, bisher nicht bewahrheitet haben.
Die Schweizer Wirtschaft hat sich angesichts des schwierigen Umfelds seit der globalen Wirtschaftskrise als überraschend widerstandsfähig erwiesen. Zwei Faktoren sind dabei hervorzuheben: die Geldpolitik und die Wettbewerbsfähigkeit. Von den Unternehmen und ihren Mitarbeitenden erfordern Massnahmen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit allerdings schmerzhafte Anpassungen. Dazu gehört insbesondere auch die Bereitschaft vieler Unternehmen, eine tiefere Gewinnmarge zu akzeptieren.
Für die Weltwirtschaft insgesamt erwartet die SNB in den kommenden Jahren ein moderates Wachstum. Dies sollte dazu beitragen, die Nachteile durch die Überbewertung des Frankens zumindest teilweise aufzuwiegen. Die durchschnittliche Inflationsrate in der Schweiz dürfte gemäss Prognosen der SNB im vierten Quartal dieses Jahres ihren Tiefpunkt erreichen. Da die beiden wichtigsten Einflussgrössen, die massive Aufwertung des Frankens und der Rückgang des Ölpreises, vorübergehender Natur sind, stellen sie für die mittelfristige Preisstabilität in der Schweiz keine Bedrohung dar. Eine anhaltende Negativteuerung oder gar eine Deflationsspirale sind daher nicht zu erwarten.