Der Stand des internationalen Reformprozesses und die Bedeutung von Referenzzinssätzen aus Zentralbanksicht
Zusammenfassung
Glaubwürdige und robuste Referenzzinssätze sind ein Grundstein für moderne Finanzmärkte. Sie verbessern die Preistransparenz und werden für derivative Produkte verwendet. In der Schweiz ist der Franken-Libor mit Abstand der dominierende Referenzwert. Seit Jahrzehnten bildet die auf dem Libor basierende Swapkurve das Fundament für die Preissetzung von Darlehen, Hypotheken und Anleihen.
Im Jahr 2012 kamen Manipulationen am Libor ans Tageslicht. Der britische Regulator gab daraufhin den Startschuss für einen langen Reformweg. Das Financial Stability Board, das die Reformbestrebungen international koordiniert, empfahl zwei Jahre später ein zweigleisiges Vorgehen. Zum einen sollten die bestehenden unbesicherten Geldmarktsätze wie der Libor gestärkt werden. Zum anderen sollten nahezu risikofreie Referenzzinssätze entwickelt werden. Durch diverse Reformschritte konnte in der Folge die Governance-Struktur des Libors deutlich verbessert werden. Allerdings hängt die Glaubwürdigkeit und Robustheit eines Referenzsatzes auch wesentlich davon ab, dass der unterliegende Markt liquid ist. Mit der Finanzkrise schrumpfte das Handelsvolumen im unbesicherten Geldmarkt, der als Berechnungsgrundlage für den Libor dient, dramatisch - und hat sich seither auch nicht erholt. Deshalb kündigte der britische Regulator diesen Juli an, den Libor nur noch bis Ende 2021 zu unterstützen. Damit ist die Zukunft des Libors ungewiss. Für die meisten Währungen stehen glücklicherweise alternative Referenzsätze zur Verfügung, die auf Transaktionen am Tagesgeldmarkt abstellen.
In der Schweiz ist es naheliegend, den 2009 eingeführten SARON, ein Referenzsatz für den Frankenrepomarkt, als Alternative heranzuziehen. Die Nationale Arbeitsgruppe setzt Leitplanken für den Reformprozess und die wahrscheinliche Abnabelung vom Libor. Angesichts der ausgeprägten Abhängigkeit des Marktes vom Libor stellt das eine grosse Herausforderung dar. Sie kann nur gemeistert werden, wenn alle Marktteilnehmer zu einem reibungslosen Übergang beitragen, indem sie sich rechtzeitig vorbereiten und koordiniert vorgehen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird den Prozess weiterhin begleiten, doch letztlich ist der Privatsektor dafür verantwortlich, eine Alternative zu wählen und den Übergang bei Zeiten einzuleiten.
Glaubwürdige und robuste Referenzzinssätze sind auch für die Geldpolitik von Bedeutung. Sie bilden typischerweise das Niveau der kurzfristigen Zinssätze in einem bestimmten Marktsegment ab und sind daher direkt betroffen, wenn Zentralbanken Zinsentscheide fällen. Referenzsätze übertragen geldpolitische Impulse auf die Finanzmärkte und die ganze Wirtschaft. Je breiter ein Referenzsatz für die Bewertung von Finanzinstrumenten verwendet wird, desto effizienter ist auch die Übertragung geldpolitischer Impulse. Robuste Referenzsätze erhöhen zudem die Transparenz hinsichtlich der herrschenden finanziellen Bedingungen.
Die SNB verwendet den Libor seit Ende 1999 in ihrem geldpolitischen Konzept als Referenzzinssatz. Er wurde gewählt, weil er an den Frankenmärkten am häufigsten als Referenzsatz eingesetzt wurde, was sich bis heute nicht geändert hat. Zentralbanken verfügen jedoch über verschiedene Möglichkeiten, um das kurzfristige Zinsniveau zu kontrollieren. Die SNB kann somit sicherstellen, dass ein Wegfall des Libors weder die Ausrichtung der Geldpolitik noch ihre Fähigkeit, Preisstabilität zu gewährleisten, beeinträchtigen würde.