Geldpolitik unter neuen Rahmenbedingungen: Herausforderungen für die Schweizerische Nationalbank
Zusammenfassung
Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Rahmenbedingungen für die Geldpolitik grundlegend verändert. Die Unsicherheit hat in vielerlei Hinsicht stark zugenommen, und die Inflation ist deutlich angestiegen.
Im Juni 2022 erhöhte die Nationalbank zum ersten Mal seit 15 Jahren ihren Leitzins und kündigte an, dass in absehbarer Zeit weitere Zinserhöhungen notwendig sein könnten. Diese Entscheidung wurde vor dem Hintergrund grosser Unsicherheit getroffen. Die Interpretation der aktuellen Daten ist schwierig, insbesondere die Unterscheidung zwischen vorübergehendem und anhaltendem Inflationsdruck. Auch die längerfristigen Aussichten für die Geldpolitik sind höchst ungewiss. Strukturelle Faktoren wie die grüne Transformation oder die Desintegration der Weltwirtschaft könnten in den kommenden Jahren zu einem anhaltend höheren Inflationsdruck führen.
In der Zeit nach der Pandemie muss die Gewährleistung der Preisstabilität absolute Priorität haben. Mittel- bis langfristig wird ein hohes Mass an Unsicherheit bestehen bleiben. In diesem unsicheren Umfeld ist ein guter analytischer Rahmen entscheidend. Um sowohl in deflationären als auch in inflationären Zeiten eine wirksame und robuste Geldpolitik betreiben zu können, bedarf es auch eines vernünftigen institutionellen Rahmens. Zwei Faktoren sind hier besonders wichtig: Erstens, das Streben nach einer niedrigen Inflation bei gleichzeitiger Toleranz eines gewissen Masses an Schwankungen; als kleine offene Volkswirtschaft ist die Schweiz ständig Störungen aus dem Ausland ausgesetzt. Der Ansatz der SNB besteht darin, je nach Situation unterschiedliche Inflationsniveaus innerhalb des Preisstabilitätsbereichs zu tolerieren. Der zweite wichtige Faktor ist ein enges geldpolitisches Mandat. Ein zu weit interpretiertes Mandat verwischt die klare Ausrichtung der Geldpolitik auf die Preisstabilität und gefährdet die Unabhängigkeit einer Zentralbank.