Fragen und Antworten zur geldpolitischen Strategie
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Die Schweizerische Nationalbank hat laut Bundesverfassung und Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank (NBG) den Auftrag, die Geld- und Währungspolitik so zu gestalten, dass das Geld seinen Wert behält und sich die Schweizer Volkswirtschaft angemessen entwickeln kann. Art. 99 der Bundesverfassung verpflichtet die Nationalbank, als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik zu führen, die dem Gesamtinteresse des Landes dient; Art. 5 NBG präzisiert den Auftrag: Die Nationalbank gewährleistet die Preisstabilität und trägt dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung.
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Die Nationalbank gewährleistet Preisstabilität, indem sie für angemessene monetäre Rahmenbedingungen sorgt. Darunter versteht man, dass die Zinsen und der Wechselkurs an die jeweilige wirtschaftliche Lage angepasst sind. Niedrige Zinssätze fördern die Versorgung der Wirtschaft mit Geld und Krediten und erhöhen damit die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen sowie die Investitionen. Mit der Zeit können dadurch aber die Produktionskapazitäten zu stark beansprucht werden, was das Preisniveau ansteigen lässt. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass es an den Finanz- und Immobilienmärkten zu Übertreibungen kommt. Umgekehrt führen steigende Zinsen zu einer Verknappung der Geld- und Kreditversorgung und dämpfen damit die Gesamtnachfrage. Dadurch nimmt die Auslastung der Produktionskapazitäten ab, und es entsteht ein Abwärtsdruck auf die Preise. Aufgrund der starken Aussenverflechtung der Schweizer Wirtschaft beeinflusst der Wechselkurs gleichzeitig über die Importpreise das Preisniveau und über den Aussenhandel die Auslastung der Produktionskapazitäten.
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Die Nationalbank nimmt in der Regel vierteljährlich (jeweils Mitte März, Juni, September und Dezember) eine geldpolitische Lagebeurteilung vor und entscheidet über den geldpolitischen Kurs. Falls es die Umstände erfordern, kann sie auch ausserhalb dieses Turnus Entscheide treffen. Sie orientiert jeweils die Öffentlichkeit über ihre geldpolitischen Entscheidungen und die dahinterstehenden Erwägungen. Bei den geldpolitischen Entscheiden analysiert die Nationalbank die wirtschaftliche und monetäre Lage (insbesondere die Inflationsaussichten) in der Schweiz. In ihre Lagebeurteilung fliessen auch die Informationen ein, die sie im Rahmen der Unternehmensgespräche sammelt und auswertet (siehe Fragen und Antworten zu den regionalen Wirtschaftskontakten). Ein spezielles Augenmerk gilt dabei auch der Konjunkturentwicklung im Ausland, weil diese für ein international stark verflochtenes Land wie die Schweiz eine wichtige Rolle spielt. Auf Basis dieser umfassenden Analyse erstellt die Nationalbank ihre Inflationsprognose und entscheidet, ob die Geldpolitik unverändert bleibt, gestrafft oder gelockert wird. Geldpolitische Entscheide betreffen in der Regel die Zinsen, jedoch nicht immer: Die Nationalbank kann bei Bedarf auch anders gelagerte Entscheide treffen - Beispiele dafür sind die Einführung des Mindestkurses am 6. September 2011 und dessen Aufhebung am 15. Januar 2015, oder die Schaffung der SNB-COVID-19-Refinanzierungsfazilität im März 2020. Mit ihren geldpolitischen Instrumenten setzt die Nationalbank ihren jeweiligen Entscheid um (siehe Fragen und Antworten zur Umsetzung der Geldpolitik). Die aktuellsten geldpolitischen Entscheide finden sich unter Die geldpolitischen Entscheide der SNB.
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Mit ihrem geldpolitischen Konzept setzt die Nationalbank den Rahmen für die geldpolitische Entscheidfindung. In ihrem geldpolitischen Konzept legt die Nationalbank fest, wie sie ihren gesetzlichen Auftrag zur Gewährleistung der Preisstabilität umsetzt. Das Konzept ist im Grundsatz seit dem Jahr 2000 in Kraft und besteht aus drei Elementen. Das erste Element konkretisiert, was die Nationalbank unter Preisstabilität versteht. Das zweite Element bezeichnet die bedingte Inflationsprognose als Hauptindikator für die Geldpolitik und als zentrales Instrument der Kommunikation. Das dritte Element beschreibt, wie die Nationalbank über die Beeinflussung des Zinsniveaus und des Wechselkurses ihre Geldpolitik umsetzt.
Die Nationalbank überprüfte ihr geldpolitisches Konzept im Jahr 2022 umfassend. Die Überprüfung ergab, dass sich das Konzept grundsätzlich bewährt hat. Bei den ersten beiden Elementen bestand kein Anpassungsbedarf. Die Formulierung des dritten Elements wurde hingegen angepasst. Die Nationalbank legt zur Umsetzung ihrer Geldpolitik jeweils den SNB-Leitzins fest. Dabei strebt sie an, die kurzfristigen besicherten Geldmarktzinssätze in Franken nahe am SNB-Leitzins zu halten. Neu sieht das dritte Element ausdrücklich vor, dass die Nationalbank bei Bedarf den Wechselkurs oder das Zinsniveau auch mit zusätzlichen geldpolitischen Massnahmen beeinflussen kann. Damit trägt die Nationalbank der gestiegenen Bedeutung von Devisenmarktinterventionen in den letzten Jahren Rechnung. Sie wurden bisher in den Erläuterungen zum Konzept erwähnt, waren aber nicht explizit im dritten Element enthalten.
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Die Nationalbank definiert Preisstabilität als einen Anstieg des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK) von weniger als 2% pro Jahr. Der LIK wird vom Bundesamt für Statistik (BFS) berechnet; mehr Informationen dazu finden sich auf der LIK-Website des BFS (www.bfs.admin.ch). Preisstabilität bezieht sich auf den Durchschnitt der Preisveränderungen - die Preise einzelner Güter können durchaus stärker schwanken. Deflation, also ein anhaltender Rückgang des allgemeinen Preisniveaus, verletzt die Preisstabilität ebenfalls.
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Preisstabilität ist eine wichtige Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand. Sie bedeutet, dass das Geld seinen Wert über die Zeit behält und die Preise ihre Signalfunktion für die Entscheidungen über Produktion und Verbrauch optimal erfüllen können. Mit ihrem Streben nach Preisstabilität schafft die Nationalbank Rahmenbedingungen, die es der Wirtschaft ermöglichen, verlässlich zu planen und ihr Produktionspotenzial voll auszuschöpfen.
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Sowohl ein anhaltender Anstieg des Preisniveaus (Inflation) als auch ein anhaltender Rückgang des Preisniveaus (Deflation) beeinträchtigen die Entwicklung der Wirtschaft. Sie erschweren die Entscheide von Konsumenten und Produzenten. Sie verzerren die Preissignale, wodurch die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ineffizient eingesetzt werden. Zudem führen sie zu Umverteilungen von Einkommen und Vermögen und benachteiligen in der Regel die wirtschaftlich Schwächeren.
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Mit ihrer Definition trägt die Nationalbank der Tatsache Rechnung, dass die Teuerung nicht präzise gemessen werden kann. Messprobleme ergeben sich etwa bei qualitativen Verbesserungen von Waren und Dienstleistungen. Solche Veränderungen sind bei der Berechnung des LIK nur unvollständig berücksichtigt. Sie tragen dazu bei, dass die gemessene Teuerung die effektive Teuerung tendenziell leicht überzeichnet.
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Der LIK basiert auf einem Warenkorb für den typischen Verbrauch in der Schweiz und ist daher ein umfassender und anerkannter Spiegel für die Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen in der Schweiz. Vermögenswerte wie Immobilienanlagen und Aktien werden hingegen nicht konsumiert, sondern dienen zur Wertanlage. Sie fliessen daher nicht direkt in die Analyse der Preisstabilität ein. Jedoch berücksichtigt die Nationalbank bei ihren geldpolitischen Lagebeurteilungen die Entwicklung der Vermögensmärkte, da diese indirekt auf die Konjunktur und die Preisstabilität wirken können. Die Entwicklung der Immobilienpreise schlägt sich zudem über die Mieten indirekt im LIK nieder.
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Die Kernteuerung, die bestimmte Warengruppen wie Energie und Lebensmittel nicht einbezieht, und andere Inflationsindikatoren können nützlich sein, um die Inflationsentwicklung abzuschätzen. Für die Nationalbank ist aber die Gesamtteuerung massgebend, weil diese die für die Bevölkerung relevante Grösse ist.
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Eine eigenständige, am Ziel der Preisstabilität orientierte Geldpolitik setzt grundsätzlich flexible Wechselkurse voraus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Wechselkursentwicklung von der Nationalbank nicht beachtet wird. In einer kleinen offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz mit einer Währung, die in unsicheren Zeiten als sicherer Hafen gilt, beeinflussen Veränderungen des Wechselkurses die Inflation und die Konjunktur massgeblich. Zusammen mit dem Zinsniveau bestimmt der Wechselkurs die monetären Bedingungen. Verändert die Nationalbank die Zinssätze oder interveniert sie am Devisenmarkt, hat dies einen Einfluss auf den Wechselkurs.
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Die Nationalbank publiziert anlässlich ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung eine bedingte Inflationsprognose für den Zeitraum von drei Jahren. Diese Prognose dient einerseits als Hauptindikator für den jeweiligen geldpolitischen Entscheid, nämlich ob die Nationalbank die Geldpolitik unverändert lässt, strafft oder lockert. Andererseits stellt die bedingte Inflationsprognose eine wichtige Orientierungshilfe für die Öffentlichkeit dar und ist damit ein zentrales Element der Kommunikation.
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Die Inflationsprognose der Nationalbank unterstellt, dass der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bekanntgegebene SNB-Leitzins über die nächsten drei Jahre unverändert bleibt. Diese bedingte Prognose zeigt, wie die Nationalbank die Entwicklung der Konsumentenpreise bei unverändertem Referenzzins einschätzt. Aus diesem Grund lässt sich die bedingte Inflationsprognose der Nationalbank nicht mit Prognosen von Banken oder Forschungsinstituten vergleichen, die in der Regel die erwartete Leitzinsentwicklung einbeziehen, also die Reaktion der Nationalbank auf die Wirtschafts- und Preisentwicklung.
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Ein so langer Prognosezeitraum ist zwar mit grossen Unsicherheiten behaftet, doch entsprechen drei Jahre ungefähr dem Zeitbedarf für die vollständige Übertragung geldpolitischer Impulse auf Produktion und Preise. Mit ihrer Inflationsprognose über drei Jahre trägt die Nationalbank somit der Tatsache Rechnung, dass die Geldpolitik verzögert wirkt und sie bei ihren geldpolitischen Entscheiden entsprechend eine vorausschauende Haltung einnehmen und frühzeitig auf Inflations- und Deflationsgefahren reagieren muss.
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Liegt die prognostizierte Inflation ausserhalb des Bereichs der Preisstabilität, kann eine Anpassung der Geldpolitik nötig werden. Droht die Inflation dauerhaft über 2% zu steigen, wird die Nationalbank eine Straffung der Geldpolitik ins Auge fassen. Umgekehrt wird sie eine Lockerung vorsehen, wenn sie deflationäre Tendenzen feststellt.
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Die Nationalbank reagiert nicht mechanisch auf die Inflationsprognose. Sie berücksichtigt bei ihren geldpolitischen Entscheiden die allgemeine Wirtschaftslage sowie Risiken, die nicht in die Prognosemodelle eingehen. Steigt die Teuerung infolge von aussergewöhnlichen Faktoren - etwa einem plötzlichen massiven Anstieg der Erdölpreise oder starken Wechselkursschwankungen - vorübergehend über 2%, muss nicht unbedingt eine Anpassung der Geldpolitik erfolgen. Das Gleiche gilt bei kurzzeitig negativer Teuerung.
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Die Nationalbank erstellt ihre Inflationsprognose auf der Basis verschiedener Prognosemodelle und zahlreicher volkswirtschaftlicher Indikatoren, die sie in ihrem Bericht zur vierteljährlichen Lagebeurteilung (in der Publikation Quartalsheft) regelmässig erläutert und kommentiert. Da für ein international stark verflochtenes Land wie die Schweiz die Konjunkturentwicklung im Ausland eine wichtige Rolle spielt, beruht die Inflationsprognose der Nationalbank auf Annahmen über den künftigen Verlauf der Weltwirtschaft. Bei Bedarf dienen unterschiedliche Szenarien für die weltwirtschaftliche Entwicklung dazu, konkrete Risiken für die Prognose einzuschätzen.
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Seit der Einführung des neuen geldpolitischen Konzepts Ende 1999 lag die Teuerung überwiegend in dem Bereich, den die Nationalbank mit Preisstabilität gleichsetzt. Obschon sich die Teuerung zeitweise auch ausserhalb des angestrebten Bereichs bewegte, konnte die Preisstabilität über die Zeit gewahrt werden. Ein kurzzeitiges Überschreiten der Marke von 2% oder ein kurzzeitiges Absinken unter 0% kann die Folge von aussergewöhnlichen Faktoren sein, etwa einer plötzlichen massiven Veränderung der Erdölpreise oder starken Wechselkursschwankungen.